Würzburg/Wien (dpa) - Zittrige Knie auf dem Weg zum Beichtstuhl? - nein,
vielen Dank, das war doch wohl gestern. Beichten im Internet heißt die
Alternative, und immer mehr Menschen finden die gar nicht so schlecht.Bild
vergrößern«Es wurde noch nie so viel gebeichtet wie heute», sagt Christian
Sieberer, katholischer Pfarrer aus Österreich und im Internet aktiv wie
wenige andere seiner Profession. «Das passiert im Internet, im Forum, in
Talkshows oder beim Psychiater - aber eben nicht in der Kirche.» Online mit
Jesus kommunizieren, ist gar nicht schwer, glaubt man Internetseiten wie
«www.beichte.de» oder «www.beichthaus.com»: Ein Klick und die Sünde ist
weg. Zwischendurch allerdings muss man auf einigen der privat betriebenen
Seiten noch gewinnbringende Werbeanzeigen über sich ergehen lassen.Die
Verfehlung eintippen, mit der Maus auf das Feld «Herr, ich habe gesündigt»
- und schon geht das ganze über eine «gesegnete IP» gen Himmel. So einfach
läuft das Ritual bei der privat betriebenen Seite «beichte.de». Im
Hintergrund läuten die Glocken. «Wenn Sie Ihre Verfehlungen wirklich
bereuen, wird Ihnen wahrscheinlich vergeben», heißt die letzte Warnung,
bevor sich die Message auf den Weg in Jesus Postfach macht. Die Sünden
bleiben anonym. Bei «beichthaus.com» hingegen gilt das Prinzip des
öffentlichen Prangers.«Ich (20, männlich) habe in der Cottbuser
Fußgängerzone eine Taube mit dem Fahrrad überfahren», gesteht ein
«beichthaus»-User in der Kategorie «Gewalt» auf der nach Angaben des
Betreibers meistgenutzten Beichtseite Deutschlands. Unter «Boshaftigkeit»
wird es dramatischer: «Ich habe einmal einen Aschenbecher aus dem
Dönerladen um die Ecke geklaut. Eine Woche darauf hat er zugemacht».
Wiederholungstäter sind auch dabei: «Ich muss zugeben, dass ich immer, wenn
ich Zeit habe, Fahrschulautos verfolge und bei jeder Kleinigkeit, die der
Fahrschüler falsch macht, übertrieben genervt mit den Armen fuchtel und
hupe.»Vielleicht ist mancher Pfarrer gar dankbar, dank der virtuellen
Beichtstühle von Sünden solchen Kalibers verschont zu bleiben: «Ich
bestelle meinen Nachbarn die Zeugen Jehovas nach Hause. Man kann sie online
einladen und sie erscheinen gewissenhaft pünktlich zur gewünschten Zeit.»
Religiöse Themen werden überhaupt gerne angeschnitten: «Ich unterrichte
Religion am Gymnasium und ich bereite nie die Stunden vor. Die Schüler
haben genau so viel Lust auf den Scheiß wie ich, also warum sollte ich mir
da Mühe geben?» Die beliebtesten Themen sind allerdings weltlich, gerne
geht es um Sex, Drugs und den Rock'n'Roll, den Seitensprünge mit sich
bringen.Für die Kirche ist diese Entwicklung wenig erfreulich, sie sieht
den Begriff Beichte zum Teil missbraucht. Pfarrer Sieberer selbst kann sich
über die witzigen Seiten der Internet-Beichte amüsieren, erkennt aber auch
durchaus einen ernsthaften, einen traurigen Trend. Weil viele Menschen
niemanden zum Reden hätten, müssten sie sich im Internet Luft verschaffen.
«Es ist oft ein Erleichtern, oder aber Selbstdarstellung», erklärt er. Mit
dem Original, der Beichte vor einem Pfarrer, habe die Onlinevariante
sowieso nichts zu tun. «Sünden werden da garantiert nicht vergeben. Bei
vielen dieser Dinge fehlt die Reue, und die ist bei der Beichte das
Wichtigste.»Die echte Beichte allerdings ist derzeit alles andere als
nachgefragt. Vor allem ältere Menschen gingen noch Beichten, die Jüngeren
wüssten aber oft gar nicht, welche Freude und Erleichterung dieses
Sakrament mit sich bringe, heißt es in einem Bericht des Bistums Würzburg.
Hier hat man sich mit den einschlägigen Internetseiten auseinandergesetzt.
Betont wird dabei immer wieder: Nur Gestehen alleine reicht nicht zur
Vergebung. Neben der Reue gehört auch der Vorsatz, sein Verhalten wieder
gut zu machen und sich zu bessern zu den wichtigsten Voraussetzungen für
die Absolution, schreibt Dominic Winkel in dem
Bericht.«beichthaus»-Erfinder Robert Neuendorf hofft, dass die Nutzer
seiner Seite sich im Klaren sind, dass das Internet keine Alternative zur
echte Beichte sein kann. «Die Beichte im Internet kann ein persönliches
Gespräch mit einem Priester nur schwer ersetzen», gesteht der
selbstständige Marketing-Kommunikationswirt mit Wohnsitzen in Berlin und
Bangkok.Als der 30-Jährige vor einigen Jahren in den USA auf eine ähnliche
Seite aufmerksam wurde, beschloss er, eine deutsche Variante zu gründen.
Ein christlicher Anspruch habe allerdings nicht unbedingt dahinter
gestanden, gibt er zu. Ein Teil seines virtuellen Beichtstuhls sind auch
Werbeanzeigen. Der Erfolg überraschte ihn selbst. Heute werden auf seiner
Seite täglich 300 Beichten hinterlassen. «Im Grunde ist das die Essenz für
das, was überall im Internet passiert, in Weblogs oder bei Twitter: Die
Leute schreiben auf, was sie bewegt. Dabei sind sie anonym. Sie müssen sich
nicht trauen, mit jemandem zu sprechen.»www.beichte.net
Wednesday, April 15, 2009
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